"Leichte Weine werden heuer von der Bildfläche verschwinden"

| 05.11.2018

Luxury News hat die besten Sommeliers Österreichs zum Talk gebeten.

Die vergangenen Jahre präsentierten sich allesamt überdurchschnittlich gut, nun können sich Weinfreunde trotz vieler offener Variablen des Jahrhundertsommers 2018 auf viele neue Top-Produkte einstellen. Die heißen Temperaturen und sonnigen Tage haben sich bezahlt gemacht: 2018 geht als Jahr mit der frühesten Weinernte seit Menschengedenken in die Annalen ein.

Luxury News hat die Weinexperten Natascha Quester, Zum Schwarzen Kameel (Wien), Patrick Somweber,Restaurant Simon Taxacher (Tirol), Timo Weisheidinger, Restaurant Lukas (Oberösterreich), Roman Bolschetz, Hotel Kempinski (Wien), und Enrico Robitzki, Schloss Gabelhofen (Steiermark), zum Talk getroffen und mit ihnen über die Auswirkungen des Jahrhundertsommer 2018, Lokale für vinophile Feinschmecker, was einen wirklich guten Tropfen ausmacht und welche Rolle das richtige Branding und Marketing spielt, geplaudert.

Luxury News: Mit welchem Wein kann man keinen Fauxpas begehen?

Quester: Für mich persönlich alle Burgunder-Sorten.

Somweber: Ganz eindeutig - Riesling Auslese von der Mosel.

Bolschetz: Für mich ein ausgewogener Riesling aus dem Kremstal. Mir fällt da sofort Müller-Grossmann Riesling Steinbühl 2015 ein.

Robitzki: Ein Deutscher Riesling geht immer.

Luxury News: Sind das auch ihre persönlichen Highlights? Was trinken Sie am liebsten?

Robitzki: „Hermitage“, Jean-Louise Chave ist der Wein, der mir gezeigt hat wie spannend, faszinierend und facettenreich Wein sein kann.

Weisheidinger: Einen Lieblingswein gibt es für mich nicht, sondern es ist jeder Wein,der in der richtigen Situation in der richtigen Gesellschaft getrunken wird. Wein ist ein emotionales Getränk, das von der Gesellschaft und der Atmosphäre lebt, in der er genossen wird.

Quester: Für mich sind es Viognier und Fiano di Avellino, weil beide vielschichtige und überraschende Aromen bieten, floral, fruchtig, mit angenehmer Mineralik sind und je nach Vinifikation durchaus spannenden Holznoten aufweisen.

Somweber: Ich bin ein großer Fan von „Burgundischen“ Champagner mit Ecken und Kanten. Im Moment ist es Selosse Initial.

Bolschetz: Mein Lieblingswein kommt vom Weingut Toni Hartl. Chardonnay Thenau ist für mich ein Parade-Beispiel wie genial die österreichischen Chardonnays sind und wir uns vor keinem verstecken brauchen. Kraft, Mineralität, Frucht begleitet von super eingebundenem Holz.

Luxury News: Welche Faktoren machen eigentlich einen richtig guten Tropfen aus?

Quester: Vielschichtige Aromen.

Somweber: Wenn das Verlangen nach dem nächsten Schluck so groß ist, dass man das Weinglas gar nicht abstellen kann.

Bolschetz: Der richtige Moment. Denn jeder Wein hat für mich seine Aufgabe. Natürlich ist das zusammenspiel von Säure, Zucker und Holz ein großer Teil.

Robitzki: Mich muss der Wein jedes Mal aufs Neue begeistern.

Weisheidinger: Zurückhaltung, Vielschichtigkeit, in sich ruhend - mit der Zeit zeigen sich mehr und mehr Facetten. Spaß beim Trinken und er weckt den Drang darüber zu sprechen.

Luxury News: Spielen Branding und Marketing in diesem Zusammenhang auch eine wichtige Rolle?

Weisheidinger: Marketing und Branding bestimmen die Darstellung des Weingutes auf dem Markt. Es stellt die Positionierung klar, welcher Kundenkreis angesprochen werden soll. Ich denke, dass es neben der Qualität des Produktes die wichtigsten Instrumente eines Produzenten sind.

Robitzki: Für mich persönlich ist es überhaupt nicht wichtig. Mir kommt es darauf an, was in der Flasche ist, die Qualität, die Authentizität des Winzers, das ist wichtig.

Bolschetz: Ich finde diese Instrumente sehr wichtig. Wenn man sich die Etiketten von einigen Winzern ansieht, erkennt man diese sofort in den Geschäften wieder. Durch Social Media kann man dem Kunden das Gefühl geben, bei jedem Step der Weinerzeugung live dabei zu sein.

Somweber: Ich denke, dass etwas Marketing und Branding jedem „Newcomer“ helfen können, sich leichter zu etablieren.

Ich selbst ertappe mich manchmal dabei, Probeflaschen mit extrem hässlichen Etiketten vorschnell zu verurteilen.

Quester: Branding und Marketing sind extrem wichtig, da der größte Teil der Weinliebhaber eher Weine wieder trinkt, von Winzern deren Marketing und Brand sie in Erinnerung haben, bei großen Weinkarten greift Mann und Frau lieber zu einem Namen den sie kennen, nur wenige sind für Experimente zu haben wenn der Genuss gesichert sein soll.

Luxury News: Welche Auswirkung hat der heurige Jahrhundertsommer auf die Weinqualitäten? 

Weisheidinger: Die Qualität ist nicht mit einer Stilistik gleich zu setzen. Sicher war das Jahr 2018 ein deutlich reifes Jahr und in vielen Weinen werden wir diesen Charakter wiederfinden.  Dieser Weinstil wird, wie auch in der Vergangenheit in warmen Jahren, in den Bewertungssystemen der bekannten Weinführer auf Grund seiner Offenheit und Intensität in der Jugend hohe Punktwertungen erzielen können. Die tatsächliche Qualität wird sich mit zunehmender Reife bewerten lassen. Prinzipiell bin ich zuversichtlich.

Quester: Ja, dieses Jahr lässt auf hohes Potenzial hoffen hinsichtlich Reife, Qualität und Lagerfähigkeit. Abgerechnet wird aber erst wenn der Wein in der Flasche ist, es bleibt also abzuwarten, was der Winzer daraus macht.

Somweber: Dieser Sommer ist die perfekte Basis für die großen und kleinen Weingüter, große unverfälschte Weine zu schaffen. Ich bin schon sehr auf die Ergebnisse nächsten September gespannt. Im Keller habe ich jedenfalls schon ausreichend Platz dafür geschaffen.

Bolschetz: Die Winzer, mit denen ich gesprochen habe, sind alle der Meinung, dass wir mit sehr tollen Tropfen rechnen können. Leider werden leichte Weine -  wie in der Wachau Steinfeder etc. -  von der Bildfläche verschwinden.

Robitzki: Ich stelle mich persönlich auf sehr fruchtige Weine ein, bin schon sehr neugierig und hoffe auf eine gute Qualität.

Luxury News: Welche Lokale empfehlen Sie vinophilen Feinschmeckern?

Somweber: Das Pub Klemo und die Weinbar im Palais Coburg. Man sollte unbedingt nach Antwerpen/Belgien fahren, da kann man im Moment in allen Top-Restaurants Weine zu richtig super Preisen trinken.

Weisheidinger: Ebenso das Pub Klemo in Wien, zudem das Hotel Kronenschlösschen im Rheingau, den Zeltinger Hof an der Mosel sowie Heimat in Frankfurt am Main.

Quester: In Wien das Mast für neue Trends und eine tolle Speisekarte, das Pub Klemo für Verkostungen national und international mit kleinen oft wechselnden Gerichten. Panino e Vino für Italien Nord bis Süd, sowohl im Glas auch auf den Tellern, in liebevoll ausgesuchter Qualität

International empfehle ich Nimis Enoteca Alla Vite, der Norden Italiens ins Glas gebracht mit kleinen Antipasti als Ergänzung, die Osteria di Ramandolo, regionale Weine glasweise, erdige lokale Küche vornehmlich Wild, sowie La Subida in Cormons, der Heurige der Familie Sirk, Orange- und Naturalweine mit der passenden Speisenkombination, schon eher slowenisch inspiriert.

Bolschetz:  In Wien gibt es da natürlich das Mast. Ich persönlich bevorzuge kleine Weinbars wie Weibels weinbar. Wenn man als Österreicher nach Berlin kommt, ist natürlich die Cordobar ein "must go".

Robitzki: Döllerer ist für mich immer einen Abstecher wert, wenn ich in Salzburg bin.
Grapes in München ist für mich die Adresse für einen lässigen Abend mit guten Wein und Freunden.